Starke Anreize für Unternehmen, die CO2-neutral werden / Harte Zeiten für die, die nicht investieren / Abfallverbrennung soll 2025 einbezogen werden / Noch sehr harte Verhandlungen zu neuem ETS für Gebäude und Straßenverkehr und Ambitionsniveau


Die Unterhändler der Fraktionen im Europäischen Parlament haben sich auf wichtige Teile des EU Emissionshandels geeinigt. Die Europäische Union will ihr Klimaziel von bisher 40% auf 55% in 2030 erhöhen. Das Kernstück eines großen Gesetzgebungspakets namens Fit-for-55 ist der sogenannte Emissionshandel. Der Berichterstatter Peter Liese berichtet nun darüber, dass er sich mit seinen Kollegen aus den anderen Fraktionen auf wesentliche Punkte verständigt hat. Die Unterhändler haben seinem Vorschlag für ein sogenanntes Bonus-Malus-System zugestimmt. Damit sollen innovative Unternehmen, die klimafreundlich produzieren, in Zukunft stärker belohnt werden. Sie erhalten zusätzliche kostenlose Zertifikate, um die extrem teuren Investitionen zu finanzieren.

Im Wesentlichen sind es drei Elemente, denen diese zusätzlichen Zertifikate zur Verfügung gestellt werden.

  1. Unternehmen, die zu den 10% besten in Europa gehören, erhalten auch dann alle ihre Zertifikate kostenlos, wenn gegen Ende der nächsten Handelsperiode die Zertifikate knapp werden. Die Gesamtmenge der Zertifikate wird allerdings nicht erhöht. Das heißt, dass die Unternehmen, die deutlich mehr verschmutzen dann entsprechend mehr zahlen müssen.
  2. Nach dem gleichen Prinzip sollen Unternehmen durch Abzug von Zertifikaten bestraft werden, die keine Pläne haben klimafreundlich zu werden, oder diese nicht glaubwürdig umsetzen und die kein Energiemanagementsystem umsetzen. Die dadurch gewonnenen Zertifikate werden denen zur Verfügung gestellt, die das sogenannte Benchmark übererfüllen.
  3. Es soll Unternehmen, die vollständig klimaneutral werden und deswegen eigentlich aus dem Emissionshandel fallen, erlaubt sein, für weitere fünf Jahre im System zu bleiben, um die gigantischen Investitionen, die zur Klimaneutralität nötig sind, durch kostenlose Zertifikate zu finanzieren.
    Darüber hinaus gibt es den sogenannten Innovationsfonds, der schon im Kommissionsvorschlag deutlich aufgesteckt wurde und der nach Ansicht der Unterhändler des Parlamentes noch einmal um ca. 50 Millionen Zertifikate pro Jahr aufgesteckt werden soll. Das können bis zu 5 Milliarden Euro pro Jahr sein, die dann noch oben draufkommen.

„Ich glaube, dass dies ein sehr wichtiger Schritt in Richtung unseres Zieles ist, die europäische Industrie zu dekarbonisieren, aber Europa nicht zu deindustrialisieren. Die Unternehmen, die bereit sind, Milliardenbeträge in die Hand zu nehmen, um in Zukunft klimaneutral zu produzieren, dürfen durch die europäische Gesetzgebung nicht bestraft werden. Diejenigen hingegen, die einfach die kostenlosen Zertifikate einstreichen wollen, ohne zu investieren und wenn es sich irgendwann nicht mehr rechnet einfach die Produktion beenden und die Bedürftigsten entlassen, haben unsere Unterstützung nicht verdient und müssen den harten Wind der Veränderung spüren.“

Ein anderer wichtiger Punkt, auf den sich die Unterhändler geeinigt haben, ist die Einbeziehung der Müllverbrennung in das ETS. „Die Europäische Kommission muss zunächst alle technischen und wirtschaftlichen Fragen analysieren. Vor allem wollen wir verhindern, dass in Zukunft die Müllverbrennung wieder durch weniger umweltfreundliche Praktiken, wie Müllexporte oder Deponierung ersetzt wird. Wenn das aber gesichert ist, gibt es keinen Grund die Müllverbrennung nicht einzubeziehen. Müll, der in Zementwerken verbrannt wird, ist heute schon einbezogen. Recycling ist natürlich die bessere Alternative im Gegensatz zur Verbrennung. Darüber hinaus plant die Bundesregierung, die Müllverbrennung bereits 2023 in die nationale Regelung zum Brennstoffemissionshandelsgesetz einzubeziehen. Ein deutscher Alleingang ist aber widersinnig. Es darf nicht attraktiver werden, Müll über die Grenze in andere europäische Länder zu transportieren.“

Ebenfalls einigten sich die Unterhändler auf einen Mechanismus, der in Zukunft starke Preisanstiege in kurzer Zeit vermeiden soll.

Bei anderen wichtigen Themen gibt es dagegen noch keine Einigung. Die Frage, wie schnell das neue System zur Grenzanpassung bei CO2 Emissionen (CBAM) eingeführt werden soll, wurde sehr kontrovers diskutiert und es wird eine streitige Abstimmung im Ausschuss geben. Die Einführung des neuen EU ETS für Straßenverkehr und Gebäude ist noch nicht abschließend beraten worden. Peter Liese hat durch verschiedene Kompromissvorschläge versucht, Bedenken Rechnung zu tragen, zum Beispiel eine Preisobergrenze und ein Vorziehen des Klimasozialfonds. „Ich bin schon enttäuscht, dass meine Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Fraktionen, inklusive der deutschen Sozialdemokraten und Grünen, immer nur sagen, was nicht geht. Ich habe von diesen Kollegen noch keinen konkreten Vorschlag gehört, unter welchen Bedingungen sie bereit wären zuzustimmen. Das ist insbesondere deshalb frustrierend, weil unter den pro-europäischen Parteien in Deutschland Konsens in dieser Frage besteht. Sowohl die Große Koalition als auch die Ampel vertreten diesbezüglich die Position, dass wir ein solches System europaweit brauchen, weil nationale Lösungen den Wettbewerb verzerren und letztlich für das Klima nicht ausreichend sind. Es gibt ein Arbeitsdokument der Bundesregierung, das ich eins zu eins unterschreibe, weil es auch die Position der CDU/CSU ist. Die Inhalte werden aber von Grünen und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament nach wie vor bekämpft. Im Ministerrat gibt es mittlerweile eine breite Zustimmung. Selbst Länder, die bisher kritisch waren, wie Spanien und die osteuropäischen Länder öffnen sich jetzt einem Kompromiss. Es wäre absurd, wenn der Umweltausschuss des Parlamentes den wichtigsten neuen Teil der Klimagesetzgebung töten würde und deutsche Sozialdemokraten und Grüne dabei die Feder führen.“

Ein weiterer Streitpunkt ist das Ambitionsniveau im bisher geltenden Emissionshandel für Industrie und Stromerzeugung. Die Kommission hat vorgeschlagen, dass 61% der Emissionen bis 2030 reduziert werden müssen (in Kombination mit 40% in den anderen Sektoren ergibt das die angestrebten 55%). Liese unterstützt diese Position. Seine Fraktion möchte dabei jedoch berücksichtigen, dass wir im Moment in einer schweren Wirtschaftskrise sind und so schnell wie möglich russisches Gas ersetzen müssen. Deswegen soll es den Unternehmen ermöglicht werden kurzfristig mehr Kohle zu verbrennen. Die Ambitionen sollen seiner Ansicht nach dann aber auf dem Weg bis 2030 so erhöht werden, dass diese zusätzlichen Emissionen überkompensiert werden. „Niemand in der EVP will das 55%- Ziel aufweichen. Die anderen Fraktionen wollen allerdings deutlich darüber hinausgehen. Das ist für uns nicht akzeptabel. Eine riesige Mehrheit des Parlaments (alle pro-europäischen Fraktionen außer die Grünen) haben für das Klimaschutzgesetz gestimmt, und dies ist unsere Richtschnur.“, so der Umweltpolitiker.