Mutationen und Grünem Zertifikat für mehr Freiheiten


„Durch die Impfung mit Johnson & Johnson wird der Impfturbo in Deutschland und Europa richtig gestartet“, dies erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten) Dr. med. Peter Liese angesichts der Entscheidung, den Impfstoff uneingeschränkt zu verwenden, die sowohl die Europäische Arzneimittelagentur als auch die Ständigen Impfkommission (STIKO) in Deutschland und die Arzneimittelbehörde FDA in den USA getroffen haben.

„Diese übereinstimmende Bewertung ist extrem wichtig und ich halte sie für vernünftig. Zwar gibt es auch bei Johnson & Johnson ebenso wie bei AstraZeneca ein gehäuftes Auftreten von Hirnvenenthrombosen und es ist sehr wahrscheinlich, dass dies mit dem Impfstoff zusammenhängt. Die Ereignisse sind aber noch deutlich seltener als bei AstraZeneca und der Vorteil der Impfung überwiegt in jedem Fall die Gefahr der Nebenwirkung. Wichtig ist auch, dass man Sinusvenenthrombose behandeln kann, wenn sie früh genug erkannt werden. Für Deutschland ist bis zum 30. Juni die Lieferung von ca. 10 Millionen Dosen von Johnson & Johnson geplant. Da der Impfstoff nur einmal geimpft werden muss, können damit also zusätzlich 10 Millionen Menschen geimpft werden. Damit ist es realistisch, dass in Deutschland und der EU schon in wenigen Monaten Gemeinschaftsimmunität (auch Herdenimmunität genannt) erreicht wird. Die Hauptaufgabe ist jetzt, dass der Impfstoff schnell, aber trotzdem anhand der Priorisierung verimpft wird und dass Menschen die noch zögern davon überzeugt werden, sich impfen zu lassen“, so Liese.

In den nächsten Wochen ist es allerdings nach Ansicht Lieses trotzdem notwendig, die in Deutschland beschlossenen Maßnahmen streng umzusetzen. „Bei einer Inzidenz von über 150 kann man in der Tat gegen die dritte Welle nicht antesten oder animpfen. Wir müssen uns noch einige Wochen an die Maßnahmen halten, die auch anderen Ländern in der Europäischen Union ermöglicht haben, die dritte Welle zu brechen“, so der Arzt und Europaabgeordnete.

„Ich unterstütze nachdrücklich die Forderung von Pflegkräften und anderen Angehörigen der medizinischen Berufe, die uns alle aufrufen, sich an die Maßnahmen zu halten. Ich kann verstehen, dass die Menschen müde sind, aber die Pflegkräfte und andere die Corona-Patienten behandeln sind am Ende ihrer Kräfte und verlangen zurecht lautstark Solidarität durch Vermeidung von Infektionen.“ Liese wies in diesem Zusammenhang auf verschiedene Veröffentlichungen hin. (https://nl-nl.facebook.com/peter.liese/videos/10158878164603855/   https://www.prosieben.de/tv/joko-klaas-gegen-prosieben/video/41-joko-klaas-live-pflege-ist-nichtselbstverstaendlich-ganze-folge)
Liese wies darauf hin, dass das Europäische Parlament in dieser Woche zwei wichtige Entscheidungen im Zusammenhang mit der Pandemie treffen wird. Zunächst werden die Abgeordneten einen Beschluss der Europäischen Kommission formal unterstützen, der eine erleichterte Zulassung für Impfstoffe vorsieht, die schon zugelassen sind, aber noch an die neuen Mutationen angepasst werden. „Im Ausschuss gab es kritische Bemerkung von Grünen und Linken. Mit großer Mehrheit haben wir dieses Verfahren aber unterstützt. Beim Grippeimpfstoff ist es schon seit vielen Jahren gebräuchlich. Wir beschleunigen hier das Verfahren ohne Abstriche an der Sicherheit“, so Liese.
Ganz wichtig ist es nach Ansicht des Europaabgeordneten und Arztes, der auch in einem Entwicklungsland gearbeitet hat, schnell die weltweite Impfkampagne zu beschleunigen. „Was in Indien passiert darf uns nicht ruhen lassen und es ist auch für uns eine Gefahr, denn überall dort, wo die Infektion sich unkontrolliert verbreitet, entstehen gefährliche Mutationen“, so Liese.

Am Mittwoch wird das Parlament nach ausführlicher Debatte über das so genannte Grüne Zertifikat abstimmen. Dieses Zertifikat soll es ermöglichen fälschungssicher nachzuweisen, dass eine Person keine wesentliche Gefahr für die Ausbreitung der Pandemie darstellt.

„Ganz wichtig ist, dass das Zertifikat nicht nur einen Impfnachweis enthalten kann, sondern, und dieses insbesondere für Menschen wichtig, die noch keine Chance hatten sich impfen zu lassen oder für die Impfstoffe nicht zugelassen sind, zum Beispiel Kinder, man kann auch einen negativen Test nachweisen und eine Genesung von der Erkrankung. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse die mir vorliegen sagen, dass jemand der die Erkrankung durchgemacht hat, zumindest für eine gewisse Zeit, ähnlich geschützt ist wie ein Geimpfter und auch nur ein sehr niedriges Risiko hat, die Krankheit weiter zu verbreiten.

Deswegen ist es sehr wichtig, dass auch ein hochwertiger, positiver Antikörpertest für das grüne Zertifikat anerkannt ist. Dies wird das Parlament nach meiner Einschätzung am Mittwoch beschließen und ich hoffe, dass der Rat dies ebenfalls akzeptiert. Damit können wir in der aktuellen Phase, in der der Impfstoff noch knapp ist, gezielt diejenigen impfen, die gar keinen Schutz haben. Diejenigen die durch eine durchgemachte Infektion einen Schutz haben, können dann im Herbst durch neue, an die Mutation angepasste Impfstoffe geimpft werden. Dadurch reduziert sich auch nochmal das Risiko der Nebenwirkungen.

Mit dem Zertifikat wird es uns möglich sein, viele Bereiche des öffentlichen Lebens im Sommer wieder zu öffnen, zum Beispiel auch das Reisen zu ermöglichen, ohne dass aus der Reisewelle eine neue Infektionswelle wird. Ich warne allerdings vor übertriebenen Erwartungen. Als Medizinstudent habe ich im ersten Semester gelernt, in der Medizin gibt es keine 100 %. Weder bei einer Impfung, noch bei einem Test gibt es 100-prozentige Sicherheit. Dies gilt insbesondere für die Antigen-Schnelltests. Neueste Untersuchung sagen, dass in bestimmten Konstellationen ein Drittel der negativen Schnelltests falsch sind. Das heißt, die Person ist schon infiziert, der Test zeigt aber trotzdem ein negatives Ergebnis an. Daher soll nach Ansicht Lieses die Bedeutung der Antigenschnelltests nicht überschätzt werden.

Als schweren Fehler bezeichnet es der Europaabgeordnete und Arzt, dass die Europäische Kommission ursprünglich vorgeschlagen hatte, einen einmal positiven Antigenschnelltest nach einiger Zeit als Basis für ein Genesungszertifikat vorzulegen. „Ein Schnelltest muss immer durch einen PCR-Test bestätigt werden und man kann auf keinen Fall davon ausgehen, dass jemand nicht infektiös ist, wenn er einmal positiv getestet wurde, dafür sind die Tests zu ungenau. Der Rat hat beschlossen diese Möglichkeit zu streichen und im Parlament gibt es auch eine entsprechende Mehrheit. Deswegen sollte man sich gerade auf Schnelltests nicht zu stark verlassen und insgesamt müssen wir auch im Sommer noch weiterhin vorsichtig sein, insbesondere dann wenn sich neue Mutationen durchsetzen. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass wenn wir uns jetzt alle an die Maßnahmen halten und die Impfung wie geplant voranschreitet, in wenigen Wochen das Schlimmste überstanden ist und der kommende Sommer für alle angenehmer sein wird als der vergangene Sommer, an dem wir ja schon viele Freiheiten genießen konnten“, so Liese.