Peter Liese zu Corona-Krise und Impfstoffen /  Kritische Fragen stellen ist richtig, Verurteilung und Besserwisserei können tödlich sein

Der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament Dr. med. Peter Liese hat sich in der Corona-Pandemie und bei der Diskussion um Impfstoffe für Solidarität und Besonnenheit ausgesprochen. Er beklagte viele schrille Töne, einseitige Verurteilungen und Besserwisserei. „Ich habe große Hochachtung vor den Entscheidungsträgern, insbesondere in der Bundesregierung. Angela Merkel, ihr Kanzleramtsminister Helge Braun und Gesundheitsminister Jens Spahn machen einen guten Job. Jeder, der meint, er hätte Deutschland besser durch die Pandemie führen können, soll sich prüfen, wenn er dann immer noch der Meinung ist, dass der es besser kann, soll er sich nochmal prüfen. Wir alle sind vor Herausforderungen gestellt, die es vorher so nie gab, und viele Oppositionspolitiker und leider auch viele Journalisten sind schnell mit Kritik, aber konkrete Vorschläge, die man auch bis zum Ende durchdacht hat, sind bis heute Mangelware.Das gilt leider nicht nur für die AfD, sondern auch für die FDP und die Linkspartei. Das ist besonders frustrierend, weil diese Parteien ja in vielen Bundesländern Verantwortung tragen. Der Vorschlag, FFP-2-Masken zur Verfügung zu stellen, ist meines Wissens nach auch in den FDP-regierten Ländern nicht anders umgesetzt worden als in anderen Bundesländern, und mir ist auch nicht bekannt, dass FDP-Politiker persönlich FFP-2-Masken gekauft haben, die ja seit dem Frühjahr immer vorhanden waren, um sie Menschen zur Verfügung zu stellen. Das Geschwafel vom besseren Schutz der Risikopersonen hilft uns keinen Millimeter weiter. Es gibt kein Land auf der Welt, das es geschafft hat, Risikopersonen zu schützen, wenn in der Gesamtbevölkerung so ein großes Infektionsgeschehen ist wie zur Zeit in Deutschland.

Deswegen heißt Schutz der Risikopersonen zunächst einmal, das Infektionsgeschehen nach unten zu bringen. Auf keinen Fall darf man Risikopersonen isolieren, und das ist leider auch die Folge mancher Thesen aus dem politischen und journalistischen Raum. Wir müssen nach vorne schauen, das heißt insbesondere auf die Impfungen, aber auch hier mahne ich dringend zu mehr Sachlichkeit in der Diskussion. Bis vor wenigen Tagen war die wichtigste Frage, die mir gestellt wurde: ‚Wie kann ein Impfstoff sicher sein, der in so einem Turboverfahren zugelassen wird?‘, und leider ist die Anzahl der Impfskeptiker und militanten Impfgegner in den letzten Monaten nicht kleiner geworden. Deswegen bin auch ich dafür, den Impfstoff so schnell wie möglich zuzulassen, aber gegen unanständigen Druck auf die Europäische Zulassungsbehörde EMA. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass der Impfstoff noch dieses Jahr zugelassen wird und in Deutschland ab Januar verimpft werden kann. Schnellere Zulassungen zum Beispiel in den USA und Großbritannien führen nicht dazu, dass wir auch nur eine Impfstoffdose weniger bekommen. Der für Deutschland vorgesehene Impfstoff ist zum Teil schon produziert und eingelagert. Aber die Wahrheit ist auch, dass weltweit bisher nur 50 Millionen Impfdosen zur Verfügung stehen, wer also glaubt, man könne einen wesentlichen Einfluss auf die Zahl der Erkrankten und Toten im Januar und Februar nehmen, irrt sich gewaltig. Die schnelle Zulassung in den USA und Großbritannien ist politisch gewollt und hat nichts mit der Qualität der jeweiligen Behörde zu tun“, so der CDU-Europaabgeordnete.


„Die europäische Zulassung ist meiner Ansicht nach aus drei Gründen besser und bietet mehr Sicherheit.

  1. Die Firma BioNTech hat mir gegenüber versichert, dass die Art und Weise der Daten, die sie gegenüber der EMA vorlegen musste, umfassender ist. Wörtlich sagte Sean Marrett, Chief Business und Commercial Officer von BioNTech: „Die Daten sind feinkörniger und sie werden tiefer analysiert“. Deshalb hat BioNTech den Antrag bei der EMA auch später gestellt, als bei der britischen Behörde.

  2. Die europäische Zulassung sieht eine Haftung der Unternehmen vor. Das ist bei einer Notfallzulassung nicht der Fall. Obwohl ich großes Vertrauen in BioNTech habe, ist es doch menschlich, dass man noch genauer hinschaut, wenn man selber haftet und nicht der Staat.

  3. Auch wenn die britische Behörde eine hohe Qualität hat, auch die schwedische, die französische, die niederländische und die deutsche haben eine hohe Qualität und wenn diese gemeinsam auf die Daten schauen, finden sie möglicherweise Hinweise, die eine Behörde alleine nicht findet. Gerade Schweden hat bei dem Impfstoff Pandemrix vor einigen Jahren Erfahrungen mit schwerwiegenden Nebenwirkungen gemacht und ich finde es gut, dass Schweden mit auf die Daten schaut, damit wir gemeinsam aus den Fehlern der letzten Jahre lernen können. Das Verfahren ist schneller als es jemals in der Vergangenheit war. Ich glaube, dass das angesichts der Gefahren durch das Coronavirus notwendig ist. Ich glaube aber auch, dass es gerechtfertigt ist, sich zwei oder drei Wochen länger Zeit zu lassen, um ein höheres Maß an Sicherheit zu bekommen. Normalerweise hat die Europäische Kommission 67 Tage Zeit, eine Zulassungsempfehlung der EMA zu bewerten und die formale Zulassung zu erteilen. Die Kommission hat mir versichert, dass dies in diesem Falle in wenigen Stunden passieren wird. Allein das zeigt, dass alle auf Hochtouren arbeiten“,

so Liese.