Wir unterstützen Prioritäten der deutschen Ratspräsidentschaft, wollen aber auch langfristige Visionen für bessere Zusammenarbeit aufzeigen
Das Europäische Parlament fordert eine sehr viel stärkere Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei Gesundheitsfragen. Die größten Fraktionen im Parlament einigten sich auf einen entsprechenden Resolutionsantrag, der Freitag angenommen werden soll. „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass wir viel stärker zusammenarbeiten müssen. So wie das Virus kennen auch viele andere Gesundheitsgefahren keine Grenzen, deswegen muss die Politik auch stärker gemeinsam über Grenzen hinweg handeln“, so der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP/Christdemokraten) Dr. Peter Liese.
Die Abgeordneten unterstützen mit großer Mehrheit die vier Prioritäten, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Montag in einer Videokonferenz mit den Abgeordneten für die deutsche Ratspräsidentschaft skizziert hat.
- Eine bessere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Seuchen u.a. durch eine Stärkung des Europäischen Zentrums für Seuchenbekämpfung (ECDC).
- Eine stärkere Zusammenarbeit bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten und eine Stärkung der langfristigen Infrastruktur nach dem Modell der amerikanischen BARDA.
- Die Stärkung der Zusammenarbeit im Bereich der Telemedizin (e-health) und die bessere Kompatibilität der entsprechenden nationalen Systeme.
- Konkret Maßnahmen zur Vermeidung von Engpässen bei Arzneimitteln und anderen wichtigen Produkten wie Masken.
„Da hier die Prioritäten der deutschen Ratspräsidentschaft mit denen von Kommission und Parlament übereinstimmen, bin ich sicher, dass wir schon in nächsten sechs Monaten konkrete Erfolge erzielen werden. Bei anderen Punkten werden wir wahrscheinlich einen langen Atem brauchen und dicke Bretter bohren. Wir sind aber trotzdem davon überzeugt, dass es notwendig ist. Wir wollen eine europäische Gesundheitsunion schaffen, das heißt, dass wir in vielen Bereichen besser zusammenarbeiten. Die Resolution respektiert das Recht der Mitgliedstaaten, wichtige Teile der Gesundheitsversorgung weiter national zu regeln, aber es ist offensichtlich, dass viele Probleme nur gelöst werden können, wenn wir grenzüberschreitend zusammenarbeiten“, so der deutsche Arzt.
Wichtig ist den Abgeordneten, dass Gesundheit in Zukunft in allen Bereichen berücksichtigt werden muss. „Im Vertrag steht an verschiedenen Stellen, dass bei allen Maßnahmen, die die Europäische Union trifft ein hohes Gesundheitsniveau angestrebt werden muss. Wir wollen, dass dieses Prinzip in die Praxis umgesetzt wird, u.a. durch eine systematische Folgeabschätzung aller Kommissionsvorschläge, nicht nur auf wirtschaftliche oder ökologische, sondern auch auf gesundheitliche Fragen“, so Liese.
Des Weiteren fordern die Abgeordneten konkrete Gesetzgebungsvorschläge zur Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes (bei Mensch und Tier) und Anreize für die Entwicklung neuer Antibiotika, einen Aktionsplan zum Thema Fachkräfte im Gesundheitswesen, Aktionspläne zur Bekämpfung von seltenen Krankheiten und psychischen Erkrankungen. Der von der Kommission bereits angekündigte Aktionsplan zur Bekämpfung von Krebs wird nachdrücklich unterstützt.
Die deutsche Ratspräsidentschaft wird aufgefordert, den Vorschlag zur Bewertung von Gesundheitstechnologien zügig voran zu treiben und eine Position des Rates zu beschließen. Außerdem verlangt das Parlament eine unabhängige Finanzierung von Patienten-Selbsthilfegruppen (viele dieser Gruppen sind von einer Industriefinanzierung abhängig, wodurch die Unabhängigkeit in Frage steht).
Schließlich fordern die Abgeordneten dazu auf, die internationale Kooperation zu stärken, insbesondere im Bereich der WHO.
„Viele dieser Themen werden sich nicht von heute auf morgen umsetzen lassen, aber ich erinnere mich noch sehr genau daran, als wir in Europa zum ersten Mal über eine Energieunion diskutiert haben. Das schien damals auch unrealistisch zu sein. Heute ist die Energieunion in weiten Teilen umgesetzt und ich bin fest davon überzeugt, dass wir das im Gesundheitsbereich auch schaffen. Es geht im Europäischen Parlament um konkrete Vorschläge und nicht um eine theoretische Diskussion über Kompetenzen. Wir wollen das bestmögliche für die Patienten in allen 27 Mitgliedstaaten erreichen“, so Liese.