Europäisches Parlament fordert seit vielem Jahren einen gesetzlichen Rahmen/ Kommission und Mitgliedstaaten verschlafen das Problem
„Der Mangel an neuen Antibiotika ist vor allen Dingen Politikversagen.“ Dies erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), Dr. med. Peter Liese anlässlich von Meldungen, wonach sich viele große Pharmafirmen aus der Entwicklung neuer Antibiotika zurückgezogen haben. „Völlig zurecht gehen Pharmafirmen davon aus, dass neue Antibiotika, wenn sie auf den Markt kommen, nur unter sehr strengen Bedingungen eingesetzt werden. Dies ist vollkommen richtig, da bei einem breitflächigen Einsatz sofort neue Resistenzen entstehen würden. Sie dürfen also nur das Mittel der letzten Wahl sein. Man kann Unternehmen nicht vorwerfen, nicht in ein Produkt zu investieren, bei dem sie am Ende massiv draufzahlen. In allen Bereichen der Wirtschaft ist es so, dass niemand in ein Produkt investiert, wenn er dadurch Geld verliert und der gesetzliche Rahmen ihm nichts vorschreibt. Deswegen brauchen wir einen gesetzlichen Rahmen, der die Unternehmen in die Lage versetzt und gegebenenfalls verpflichtet, diese Forschung durchzuführen. Einen ähnlichen gesetzlichen Rahmen haben wir auf europäischer Ebene zum Beispiel schon bei Arzneimitteln für Kindern. Hier haben wir schon vor Jahren ein System aus Anreizen und Verpflichtungen festgelegt, das große Erfolge für die kleinen Patienten gebracht hat. Das Europäische Parlament fordert ein gleiches System schon seit 2015 wiederholt. Die Europäische Kommission hat praktisch nicht reagiert. Auch aus den Mitgliedstaaten gibt es keine nennenswerten Vorstöße, obwohl zum Beispiel Deutschland schon 2016 im Pharmadialog festgelegt hat, dass man sich auf europäischer Ebene für ein entsprechendes System einsetzt. Mir ist aber leider von Aktivitäten der Bundesregierung in dieser Hinsicht nichts bekannt, obwohl ich die Zuständigen darauf regelmäßig anspreche. Die neue EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides muss sich dieses Themas dringend annehmen", so Liese.
Der Arzt und Abgeordnete warnte auch davor, den Schwarzen Peter in der Diskussion über steigende Resistenzen einseitig der Landwirtschaft zuzuschieben. „Natürlich gibt es ein Problem durch einen unkritischen Einsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft, aber dieses Problem wurde in Deutschland 2013 durch ein Gesetzt massiv angegangen und deutsche Landwirte setzten Antibiotika sehr viel weniger und viel gezielter ein, als früher. Einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen haben wir auch in der Europäischen Union beschlossen. Leider fehlen entsprechende Gesetze auf nationaler Ebene für die Humanmedizin. Der Einsatz von Antibiotika, zum Beispiel in Hausarztpraxen, ist weitgehend ungeregelt und entspricht nicht immer den wissenschaftlichen Standards, und dadurch, auch durch die Anspruchshaltung von Patienten, werden zu viele Antibiotika eingesetzt. Es sterben jedes Jahr 33.000 Menschen, weil Antibiotika ihre Wirkung verlieren, deswegen müssen wir das Problem endlich systematisch anpacken", so Liese.