Ohne natürliche und technische Senken werden wir die Klimaziele nicht erreichen
Vorschlag der Kommission für Mittwoch erwartet/ Einbeziehung in den Emissionshandel wird geprüft
Experten aus CDU/CSU, Wissenschaft und Industrie fordern ein stärkeres Engagement der Europäischen Union und der Mitgliedsstaaten bei den sogenannten negativen Emissionen, bzw. Technologien zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre. Sie begrüßen in dieser Beziehung grundsätzlich einen Vorschlag der Europäischen Kommission zu den sogenannten Carbon Removals Techniken (Methoden zur CO2-Entnahme), der für den morgigen Mittwoch erwartet wird. In einer Videokonferenz äußerten sich Peter Liese, umweltpolitischer Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP- Christdemokraten); Andreas Jung, stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und energie- und klimapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion; Peter Jahr, Berichterstatter für die Agrarpolitik, sowie Felix Schenuit von der Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) & CDRterra und Anastasios Perimenis, Generalsekretär von CO2 Value Europe.
„Ohne negative Emissionen werden wir unsere Klimaziele nicht erreichen. Dies hat insbesondere der Weltklimarat, IPCC, immer wieder festgestellt. Dort heißt es wörtlich ‚The deployment of carbon dioxide removal to counterbalance hard-to-abate residual emissions is unavoidable if net zero CO2 or GHG emissions are to be achieved.’ (Der Einsatz der Kohlendioxidabscheidung zum Ausgleich schwer abbaubarer Restemissionen ist unvermeidlich, wenn Netto-Null-CO2-Emissionen oder Treibhausgasemissionen erreicht werden sollen.) Alle Szenarien gehen davon aus, dass wir nach 2050 in Europa nicht nur klimaneutral sein müssen, sondern, dass die Entnahme aus der Atmosphäre die Emissionen übersteigen muss, um das Pariser Klimaziel langfristig zu erreichen. Deshalb müssen wir so schnell wie möglich damit anfangen, diese Technologien zu entwickeln.
Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, durch natürliche Senken, CO2 zu entnehmen. Das ist vor allen Dingen die Speicherung von CO2 in Wäldern, die Speicherung von CO2 im Boden durch sogenanntes Carbon Farming und die Wiedervermessung von Mooren. Darüber hinaus gibt es technische Lösungen zur Abscheidung von CO2 und Verpressung unter die Erde. In den letzten Jahren ist aber zusätzlich auch die Nutzung von CO2 und die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre (direct air capture) in den Blick geraten. Es gibt bereits Unternehmen, die aus CO2, das aus der Luft gewonnen wurde Produkte, wie zum Beispiel Pflastersteine herstellen, in denen das CO2 dauerhaft gespeichert ist. Hier müssen wir dringend mehr Unterstützung geben, damit diese Produkte im großen Stil hergestellt werden und dadurch auch kostengünstiger werden.“, erklärte der umweltpolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), Peter Liese.
Andreas Jung kommentiert ebenfalls: „Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 - in Deutschland bereits 2045 - ist unser europäischer Beitrag zum Pariser Abkommen. Um es zu erreichen, müssen wir alle Kräfte nachhaltiger Klimainnovationen mobilisieren: Zusätzlich zur beschleunigten CO2-Reduktion mit Erneuerbaren, Effizienz und Wasserstoff als wichtigen Säulen müssen wir auch Technologien zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von Kohlendioxid nutzen. Nur mit allem zusammen schaffen wir Klimaneutralität und bekämpfen so wirksam den Klimawandel. Denn bestimmte Prozessemissionen in der Industrie können gar nicht vermieden werden. Wer sich also grundsätzlich gegen diese Technologien wendet, stellt unseren Wirtschaftsstandort Europa in Frage. Deshalb muss jetzt diese Debatte geführt und ein Rahmen geschaffen werden.“
Peter Jahr, der auch Schattenberichterstatter zu nachhaltigen Kohlenstoffkreisläufen war, sagte: „Für mich bedeutet carbon farming vor allem eine Chance für unsere europäischen Land- und Forstwirte: einerseits können sie mit einem business-Modell zusätzliche Einkünfte fernab von öffentlichen Geldern generieren, andererseits können sie Teil der Lösung im Kampf gegen den Klimawandel sein. Jetzt hängt jedoch alles davon ab, ob eine Kohlenstoffzertifizierung auch leicht und unbürokratisch umgesetzt werden kann, ohne dabei ihre Glaubwürdigkeit und an Qualität zu verlieren. Darum setze ich mich ganz besonders dafür ein, dass man mit der Zertifizierung im Forstbereich beginnt, da hier die Umsetzung ohne große Hürden vorangehen kann.“
Felix Schenuit, wissenschaftlicher Experte zu dem Thema, teilt die Meinung, dass der Vorschlag der Europäischen Kommission ein wichtiger Schritt in Richtung einer glaubwürdigen und transparenten Zertifizierung der CO2-Entnahme ist: „Es ist ein wesentlicher Bestandteil der Klimapolitik, um Netto-Null zu erreichen. Im bevorstehenden Gesetzgebungsverfahren sollten die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament sicherstellen, dass die Priorisierung von Emissionsreduktionen und die Haftungsfragen für wieder freigesetztes CO2 zentrale Elemente des endgültigen regulatorischen Rahmens sind. Wenn dies gelingt, hat diese neue Initiative das Potenzial, die EU als Vorreiter in der Politik zur CO2-Entnahme zu positionieren.“
"Die CCU-Mineralisierung ist eine der Schlüsseltechnologien, die zur Entnahme von Kohlenstoff aus der Atmosphäre führen, indem biogenes oder atmosphärisches CO2 abgeschieden und dauerhaft in Produkten wie Baumaterialien gebunden wird", sagte Anastasios Perimenis, Generalsekretär von CO2 Value Europe, ein Verband, der die Unternehmen des Sektors für Carbon Capture and Utilisation (CCU) in Europa vertritt. "Die Veröffentlichung eines Zertifizierungsmechanismus für die CO2-Entnahme wurde von der CCU-Community lange erwartet, und wir freuen uns darauf, dass er auf EU-Ebene vorgeschlagen wird". Er fügte hinzu: "Wir brauchen Rechtssicherheit und klare Definitionen auf EU-Ebene in Übereinstimmung mit den jüngsten IPCC-Empfehlungen zur Eindämmung des Klimawandels, damit ein breites Spektrum von Wirtschaftsakteuren in die CO2-Entnahme investieren kann. Ergänzend zur CO2-Entnahme brauchen wir weiterhin unterstützende Rechtsvorschriften, die anerkennen, dass Kohlenstoff, der aus unvermeidbaren Industrieemissionen abgeschieden wird, durch CCU verwertet werden kann, um fossilen Kohlenstoff in unserer Wirtschaft zu ersetzen und zu erheblichen Emissionssenkungen und emissionsneutralen Produktionssystemen zu führen".
Liese hatte auch als Berichterstatter zum Emissionshandel darauf gedrängt, dass negative Emissionen innerhalb des Emissionshandels anerkannt werden. Dies war im ersten Schritt nicht umsetzbar, da sich die anderen Fraktionen im Parlament, sowie Kommission und Mitgliedsstaaten noch zögerlich zeigten. „Selbstverständlich muss eine solide Technik entwickelt werden und die Einbeziehung darf nicht zu Taschenspielertricks führen. Dies ist aber möglich und deswegen bin ich froh, dass wir jetzt einen Fuß in der Tür haben. Die Kommission ist beauftragt worden, bis Mitte 2026 einen Bericht vorzulegen, um darzulegen, wie man diese Techniken besser anreizen kann. Dabei ist die Einbeziehung in den Emissionshandel eine ernsthafte Option.“, so Liese.