Zeitenwende in der Umweltpolitik, Konzentration auf Wirtschaftswachstum und Klimaschutz


„Die geplante Verschärfung der europäischen Chemikalienpolitik kommt definitiv nicht“, dies bestätigte der für den Green Deal zuständige Geschäftsführende Vizepräsident der Europäischen Kommission, Maros Sefcovic, dem umweltpolitischen Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), Peter Liese. Liese hatte sich gemeinsam mit vielen Parteifreunden in den letzten Monaten entsprechend eingesetzt. Im Gegensatz dazu hatten Grüne, Sozialdemokraten und Linke und die Mehrheit der Liberalen auf entsprechende Verschärfung bestanden. „Ich freue mich sehr über diese Klarstellung des zuständigen Vizepräsidenten der Europäischen Kommission. Die chemische Industrie und die Industrie insgesamt steht vor riesigen Herausforderungen. In Deutschland herrscht sogar Rezession und viele Investitionen werden außerhalb Europas getätigt. Daher müssen wir uns jetzt wirklich auf das Wesentliche konzentrieren und das Wesentliche ist die Bekämpfung der Wirtschaftskrise und die Energiewende. Viele Unternehmen, auch in der chemischen Industrie, haben sich auf den Weg gemacht und ihre eigene Strategie für Klimaneutralität vorgelegt. Die Klimaziele der Europäischen Union bleiben weiter richtig und wichtig aber da man das Geld nur einmal ausgeben kann und auch die Fachkräfte in diesem Bereich sehr rar sind, kann man nicht alles gleichzeitig machen. Teilweise widersprechen Verbote von Chemikalien sogar dem Klimaschutz, weil man für die Energiewende zum Beispiel für die Herstellung von Wasserstoff Chemikalien braucht die einige, wie Umweltministerin Steffi Lemke gerne verbieten wollen“, so der Umwelt- und Gesundheitspolitiker Liese.



Liese sieht die Entscheidung der Europäischen Kommission auch als ein weiteres Zeichen einer Zeitenwende in der europäischen Umweltpolitik: „Seit dem Abgang von Frans Timmermans erleben wir sehr viel mehr Realismus in den europäischen Institutionen. Wir haben sogar viele Gesetze so umgeschrieben, dass die Industrie damit wesentlich besser leben kann als mit den Entwürfen von Timmermans. Das gilt zum Beispiel für die Industrieemissionsrichtlinie und für die Verordnung zu Verpackung und Verpackungsabfälle. Wir haben sogar zwei Gesetze angenommen, die im Sinne des Klimaschutzes Regeln vereinfachen und der Industrie das Leben leichter machen, nämlich den Net Zero Industry Act, der zum Beispiel schnellere Genehmigungsverfahren für Wasserstoffprojekte und ähnliches vorsieht und den Critical Raw Material Act, der Hürden, die etwa durch den Naturschutz bei der Gewinnung von wichtigen Rohstoffen gesetzt werden, verringert. Auf diesem Weg müssen wir weitermachen. Klimaschutz und Wirtschaftswachstum sind kein Widerspruch, wenn wir wirklich klug handeln und uns auf diese beiden Themen konzentrieren“, so Liese.

Dr. Christopher Grünewald, Geschäftsführer Grünewald Papier GmbH & Co. KG:
"Die steigenden Umweltvorgaben und die komplexen Genehmigungsverfahren werden für mittelständische Unternehmen zu einer immer größeren Herausforderung. So wird in den neuen Regelungen der Industrieemissionsrichtlinie ein Transformationskonzept für die Anlagen gefordert, wie die Klimaziele und das Null-Schadstoff-Ziel der EU bis 2050 erreicht werden. Wie soll das seriös aufgestellt werden, ohne dass die Verfügbarkeit und die Kosten der benötigten Energieträger geklärt sind?“

Thomas Bock, Group Technology and Manufacturing Manager, Reno de Medici:
"Die Verpackungsverordnung hat ursprünglich erhebliche Auswirkungen auf die Papier- und Kartonindustrie gehabt, besonders durch die bevorzugte Wiederverwendung und Mehrwegquoten. Nachbesserungen im Europaparlament haben jedoch zu nötigen Ausnahmeregelungen geführt, die unsere Industrie erheblich entlasten."

Dr. Ron Brinitzer, Geschäftsführer kunststoffland NRW e.V.:
 "In Zeiten der Krise muss Politik unnötige weitere Belastungen der Wirtschaft vermeiden und durch die richtigen Weichenstellungen Chancen eröffnen."

Dr. Ralf Düssel, Evonik Industries AG:
„Die Chemieindustrie ist essentiell für Europa und Deutschland, damit die Transformation gelingt. Chemie ist der Schlüssel zur Zukunft und unser Rüstzeug für die Sicherung unserer Wettbewerbsfähigkeit. Um der Industrieproduktion in Europa die Klimaneutralität zu ermöglichen, bedarf es innovativer Produkte, die ressourcenschonend, zirkular, umweltfreundlich und nachhaltig sind. Der Green Deal kann auch zum Clean Deal werden,  wenn wir sauberen, grünen Produkten den Weg bereiten. Unsere Branche ist auf Politik und Regulierung angewiesen, die Chancen eröffnet und Optionen gestaltet. Verbote und Bürokratie sind der falsche Weg.“

Arndt Kirchhoff, Vorsitzender des Aufsichtsrats der KIRCHHOFF Gruppe:
"Wir müssen in der Industrie langfristig denken und planen können. Der Ausbau der Infrastruktur für die Transformation ist entscheidend und muss beschleunigt werden. Die aktuelle Politik, die sich auf Verbote stützt und den Markt außer Kraft setzt, verunsichert Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen. Wir benötigen einen Politikstil, der auf Technologieoffenheit setzt, Innovationen ermöglicht und den Markt entscheiden lässt, statt ständig einzugreifen. Die Fokussierung sollte auf Infrastrukturausbau, Kostensenkung und Technologieförderung liegen, um eine effektive, technologieoffene und wirtschaftsfreundliche Umweltpolitik zu gestalten."