Weniger Bürokratie, mehr Transparenz, gleiche strenge Schutzvorschriften für Patienten / Keine klinische Prüfung ohne Ethik-Kommission


Brüssel - In diesen Tagen wird die Neufassung der Verordnung für Arzneimitteltests am Menschen im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Damit ist der letzte Schritt des Gesetzgebungsverfahrens vollzogen. Zuvor haben sowohl die EU-Mitgliedsstaaten  als auch das Europäische Parlament der Verordnung zugestimmt. Die Neuregelungen treten ab Mitte 2016 in Kraft. Dies teilte der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion (EVP-Christdemokraten) im Europäischen Parlament, Dr. med. Peter Liese (CDU)  gemeinsam mit dem Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe, Gerd Nettekoven, mit.

Die Europäische Kommission hatte im Juli 2012 einen Vorschlag für eine Neufassung vorgelegt, der in Teilen zunächst sehr umstritten war. Ziel der Neufassung war es, die Bedingungen für klinische Versuche zu entbürokratisieren. Um solide Ergebnisse zu erzielen, müssen diese oftmals in verschiedenen Ländern der Europäischen Union gleichzeitig durchgeführt werden. Gerade Institutionen, die unabhängig von der Pharmaindustrie Forschung durchführen oder fördern, wie zum Beispiel die Deutsche Krebshilfe, entstanden aufgrund des bisherigen bürokratischen Zulassungsverfahrens hohe Kosten. Künftig wird es daher ein einheitliches Portal für alle geben, die eine klinische Prüfung beantragen. Ein federführender Mitgliedsstaat koordiniert dann für alle anderen beteiligten Mitgliedsstaaten in Verfahrensfragen die klinische Prüfung. Die Rechtsform „Verordnung“ wird zudem garantieren, dass die Regeln in allen 28 Mitgliedsstaaten gleich angewandt werden.

"Für die finanzkräftigen, großen Pharmaunternehmen mag es möglich sein, in zehn verschiedenen Ländern komplett unterschiedliche Verfahren für die Zulassung zu durchlaufen. Für unabhängige Forscher und die mittelständische Industrie ist es allerdings notwendig, Bürokratie abzubauen. Dies leistet die neue Verordnung", so der Arzt und Europaabgeordnete Peter Liese.

„Patienten- und Förderorganisationen wie die Deutsche Krebshilfe tragen einen erheblichen Anteil daran, die Durchführung nicht-kommerzieller klinischer Studien zu ermöglichen. Von der Verordnung erwarten wir einen deutlich geringeren bürokratischen Aufwand für diese patientennahe Forschung. Daraus resultierende Einsparungen könnten wir dann für weitere Aktivitäten und Förderungsmöglichkeiten einsetzen. Ohne diese Entlastungen durch die neue Verordnung müssten gemeinnützige und private  Förderorganisationen in Zukunft weiterhin hohe Summen - und damit Spendengelder - für die Durchführung nicht-kommerzieller Studien aufwenden. Das hätte eine bedenkliche Stagnation in der Weiterentwicklung onkologischer Therapien befürchten lassen“, sagte Gerd Nettekoven, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krebshilfe.

Kritik war nach der Veröffentlichung des Vorschlags in Deutschland vor allen Dingen daran laut geworden, dass die Europäische Kommission im ursprünglichen Vorschlag die Rolle der Ethik-Kommission nicht mehr ausdrücklich vorgesehen hatte. Dies wurde im Gesetzgebungsverfahren jedoch korrigiert. "Ohne ein zustimmendes Votum einer Ethik-Kommission kann auch zukünftig eine klinische Prüfung in dem betreffenden Land nicht durchgeführt werden. Europäisches Parlament und Bundesregierung konnten sich in diesem Punkt zum Schutz der Patienten durchsetzen" so Liese.
Die Regelung zum Schutz von Kindern und anderen besonderen schutzwürdigen Personen wurden im Vergleich zur bestehenden Richtlinie außerdem noch einmal verschärft.

Der CDU-Gesundheitsexperte freut sich auch über ein Mehr an Transparenz durch die neue Verordnung. "Die Ergebnisse der klinischen Prüfung müssen zukünftig auf jeden Fall veröffentlicht werden, auch wenn sie negativ sind. Vor Beginn müssen alle Prüfungen registriert werden. Nur persönliche Daten der Prüfungsteilnehmer und Betriebsgeheimnisse sind von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen. Leider gab es in der Vergangenheit viele klinische Prüfungen, vor allem in Drittstaaten wie Indien, die bei negativem Ausgang nicht veröffentlicht wurden. Dies schadet natürlich den Probanden, aber auch den Patienten in Europa, denn Medikamente wurden oft auf der Basis von unzureichenden Daten zugelassen, wodurch man Nebenwirkungen erst viel später erkannt hat. Dies wird sich nun ändern. Alles in allem glaube ich, dass trotz einiger Kompromisse, die wir machen mussten, der Text eine wesentliche Verbesserung für die Patienten in Deutschland und Europa bringt", so Liese.

„Ausdrücklich begrüßt die Deutsche Krebshilfe die neuen Transparenz-Regeln zur Veröffentlichung von Studienergebnissen. Die Entscheidung für die verbindliche Einbindung von Ethik-Kommissionen sowie die Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Nicht-Einwilligungsfähigen sind richtig. Insofern begrüßt die Deutsche Krebshilfe die neue Verordnung und wird sich auch in Zukunft in die Förderung von nicht-kommerziellen klinischen Prüfungen einbringen. Darüber hinaus hat das Europäische Parlament aus unserer Sicht weitere sinnvolle Möglichkeiten aufgezeigt, wie nicht-kommerzielle Prüfungen zusätzlich entlastet würden. So können die Mitgliedsstaaten z. B. die behördlichen Antragsgebühren für nicht-kommerzielle Prüfungen senken. Außerdem stellt das Europäische Parlament klar, dass die einzelnen Mitgliedsstaaten Maßnahmen zur Förderung von nicht-kommerziellen Prüfungen ergreifen sollten“, sagte Nettekoven.