Es ist wichtiger, den Transport des mutierten Coronavirus zu verhindern als die Sandwiche der LKW-Fahrer auszusortieren / Wenn wir klug und gezielt handeln, kann das Schlimmste in 2 bis 3 Monaten vorbei sein / Ziele der Kommission sehr realistisch


„Wir brauchen dringend bessere und systematischere Kontrollen bei allen Einreisen aus dem Vereinigten Königreich auf den europäischen Kontinent“, dies erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP, Christdemokraten) Dr. med. Peter Liese.

„Ich finde es unerträglich, dass wir im Brexit-Abkommen klar geregelt haben, dass jegliche Einfuhr von potentiell infektiösen Nahrungsmitteln unterbunden ist und dass wir sogar darüber diskutieren, ob ein LKW-Fahrer sein Käse-Schinken-Sandwich mit in die EU bringen kann, dass die Mitgliedstaaten aber keinen systematischen Ansatz zur Vermeidung von Corona-Infektionen durch Rückkehrer aus Großbritannien haben. Nach meiner Kenntnis gibt es kein einheitliches Verfahren bei Einreisen per Flugzeug.

Auch die Frage, wie Reisende getestet werden, die mit der Fähre oder durch den Tunnel bzw. mit dem Eurostar kommen, ist für mich nicht ausreichend stringent geklärt. Offensichtlich werden vielfach nur Schnelltests benutzt. Ein Schnelltest hat aber eine relativ geringe Aussagefähigkeit. Insbesondere ist es möglich, dass jemand kurz nach dem Test infektiös wird, auch wenn er einen negativen Schnelltest durchgeführt hat. Die Aussage der Schnelltests ist eigentlich nur für 24 Stunden sicher. Das heißt, ein LKW-Fahrer oder Geschäftsreisender, der von Großbritannien auf den Kontinent kommt, kann bei der Einreise einen negativen Schnelltest haben, aber drei/vier Tage später seine Familie und seine Kollegen anstecken“, so der CDU-Europaabgeordnete und Arzt.

Besorgniserregend sei die Situation in Großbritannien und Irland, wo durch die neuartige Mutation ein deutlicher Anstieg der Infektionszahlen zu verzeichnen ist.

Informationen zur Entwicklung in Irland und Großbritannien: https://www.peter-liese.de/images/Zusatz.pdf

Als Konsequenz aus der jetzigen Situation fordert Liese

  1. Stärkere Einreisekontrollen, die systematisch in allen EU-Ländern durchgeführt werden. „Leider müssen sich diese Kontrollen jetzt auch auf Irland und nicht nur auf Großbritannien beziehen. Alle Einreisenden sollten nicht nur einen Schnelltest, sondern einen PCR-Test erhalten und solange in Quarantäne bleiben, bis sie eindeutig negativ sind. Ausnahmen darf es nur für Transporte lebenswichtiger Güter und für Menschen geben, deren Leistung absolut systemrelevant ist, wie z.B. Ärzte und Krankenschwestern.

  2. Wir müssen in Deutschland und allen anderen Ländern dringend noch wirksamere Maßnahmen zur Vermeidung von Risikokontakten ergreifen.

    Das heißt:
    a) Wann immer möglich sollen Büromitarbeiter ins Home-Office. Auch in anderen Bereichen des Arbeitslebens muss strenger auf die Vermeidung von Risikokontakten geachtet werden, zum Beispiel durch eine strenge Maskenpflicht im Beruf, die auch kontrolliert wird.

    b) Der öffentliche Personennahverkehr sollte zu maximal 25 % belegt werden.

    c) Sobald die ausreichende Versorgung sichergestellt ist, soll es eine FFP2-Maskenpflicht beim Einkaufen und im ÖPNV geben.

    d) Jeder, der zu Hause nicht die Möglichkeit hat sich vollständig zu isolieren, weil zum Beispiel die Wohnverhältnisse zu beengt sind, sollte im Fall von Infektion oder Risikokontakt vom Staat das Angebot erhalten, während der Quarantäne nach einem Risikokontakt oder für die Isolierung im Falle eines milden Verlaufs in ein Hotel zu gehen und dort mit Essen und anderen notwendigen Dingen versorgt werden.

    e) Die Regelung in Deutschland und allen anderen EU-Ländern müssen so angepasst werden, dass die Menschen den maximalen Anreiz haben, dringend notwendige oder aus ihrer Sicht unverzichtbar gehaltene private Treffen im Freien statt in den eigenen vier Wänden durchzuführen. D.h. die Regeln für die Wohnung zu Hause sollten durchaus noch mal angeschärft werden, aber wir müssen sehr großzügig den Menschen erlauben, mit Freunden oder Verwandten auf der Terrasse ein Heißgetränk zu sich zu nehmen oder im Park spazieren zu gehen.

Auch wenn die Zahlen runtergehen darf man keinesfalls zu früh öffnen, um eine Entwicklung wie in Irland zu vermeiden“, so der CDU-Europaabgeordnete und Arzt.

Trotz der alarmierenden Erkenntnisse aus Großbritannien und Irland geht Peter Liese nach wie vor davon aus, dass die schlimmsten Auswirkungen der Pandemie in 2-3 Monaten überstanden sind. „Wenn wir uns jetzt klug verhalten, haben wir im März oder April das Schlimmste überstanden“. Liese begründete seine Auffassung wie folgt:

  1. Die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus wirken. Und zwar auch gegen die neuartige Mutation. Dies zeigt der erneute Rückgang der Zahlen in Irland und auch der leichte Rückgang der Zahlen in Deutschland.

  2. Die Impfstoffversorgung wird bis März/April deutlich besser werden und wenn die Hochrisikopersonen und das medizinische Personal geimpft sind, wird die Pandemie den größten Teil ihres Schreckens verlieren. Eine Überlastung des Gesundheitswesens ist vor allem dadurch zu verzeichnen, dass sehr viele Risikopatienten erkranken und das medizinische Personal zum Teil selber infiziert oder in Quarantäne ist. Wenn Hochrisikopersonen und medizinisches Personal geimpft sind, wird sich diese Problematik glücklicherweise entspannen. Die Ziele der Kommission für diesen Bereich sind realistisch.
    Nach der Produktionsumstellung wird nicht nur die Zahl der Impfdosen von BioNTech/Pfizer zunehmen, sondern wird auch neben dem schon zugelassenen Impfstoff von Moderna voraussichtlich auch Ende Januar der Impfstoff von AstraZeneca zugelassen werden. Von diesem Impfstoff hat die EU 400 Millionen Impfdosen bestellt und die Lieferung beginnt im Februar. Nachdem es zunächst große Fragezeichen zur Wirksamkeit des Impfstoffs gab, zeigt eine neue Analyse der Daten offensichtlich, dass er zumindest sehr gut gegen einen schweren Verlauf schützt und die Wirksamkeit gegen Infektionen bei der richtigen Dosierung deutlich höher als die zunächst angegebenen 70% liegt. Persönlich werde ich dann, wenn die Europäische Arzneimittelagentur diesen Impfstoff zulässt auch zur Impfung mit diesem Impfstoff raten und ich würde mich im Zweifel lieber im Februar mit AstraZeneca impfen lassen als im April oder Mai mit BioNTech/Pfizer.
    Hinzu kommt, dass der Impfstoffhersteller Johnson & Johnson möglicherweise schon Ende diesen Monats die Ergebnisse der Phase 3-Prüfung veröffentlicht und der Impfstoff im Februar schon zugelassen werden könnte. Bei entsprechender Lieferung (die EU hat 400 Millionen Dosen bestellt), kann dies zu einer sehr schnellen Entspannung führen, weil der entsprechende Impfstoff nur einmal verabreicht werden muss.
    Der Hersteller CureVac rechnet mit einem Ergebnis seiner klinischen Prüfung im März und einer Zulassung im April, so dass wir im Frühjahr absehbar 5 Impfstoffe haben und spätestens im 3. Quartal jeder EU-Bürger die Möglichkeit hat, sich impfen zu lassen. Auch das Ziel der Kommission, das bis Ende des Sommers 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sind ist realistisch. Wenn viele mitmachen, ist die Pandemie in der EU im September vorbei.

  3. Abschließend werden uns die höheren Temperaturen im März/April erleichtern, die Pandemie zu bekämpfen“, so Liese.