Peter Liese und Chefarzt Holger Petri fordern kompetente Beratung vor Anwendung

"Die moderne Gen- und Biotechnologie kann für Patienten mit bisher unheilbaren Krankheiten große Fortschritte bringen, jedoch bei unsachgemäßer Anwendung birgt sie auch große Gefahren", darin waren sich Dr. Peter Liese und Dr. Holger Petri, Chefarzt am Sozialpädiatrischen Zentrums der DRK Kinderklinik Siegen in einem Gespräch einig. Die europäischen Institutionen  beraten zur Zeit abschließend über eine komplette Neuordnung aller medizinischen Tests. Dazu gehören Blutzucker- und HIV-Tests ebenso wie DNA-Tests. Peter Liese wurde hierfür als Verhandlungsführer (Berichterstatter) des Europäischen Parlaments benannt. Das Europäische Parlament verlangt in den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission eine strenge Regulierung von Gentests, die Krankheiten voraussagen und erst in der Zukunft auftreten können (prädiktive Tests). "Es gibt Erkrankungen die zwar erst im späteren Leben auftreten, bei denen man allerdings durch einen Gentest mit fast hundertprozentiger Sicherheit schon einem jungen Menschen das Krankheitsrisiko voraussagen kann. Dazu gehört z.B. die schwere Nervenkrankheit Chorea Huntington. Wenn man blauäugig einen Test auf diese Erkrankung durchführt, kann es eventuell mehr Probleme mit sich bringen als Chancen. Beispielsweise ist man dann verpflichtet bei Abschluss einer Versicherung die Information weiter zu geben; von den psychologischen Belastungen ganz abgesehen.

 

Daher fordert das Europäische Parlament, dass solche Tests nur nach angemessener Beratung stattfinden", so Peter Liese, der seine Doktorarbeit am humangenetischen Institut der Universität Bonn geschrieben hat. Die Vertretung aller Humangenetiker in Deutschland (Deutsche Gesellschaft für Humangenetik) unterstützt die Forderung des Europäischen Parlaments massiv.

Wichtig ist für Peter Liese vor allem die Beratung vor Pränatal-Diagnostik, d.h. eine Untersuchung des ungeborenen Kindes vor der Geburt. "In den meisten Fällen gibt es vor der Geburt keine Therapie, daher ist die einzige Konsequenz einer solchen Untersuchung, dass man entweder bewusst ein behindertes Kind akzeptiert, oder das Kind abtreiben lässt. Viele Frauen, für die eine Abtreibung eigentlich nicht in Frage kommt, sind sich über die Konsequenzen aber nicht ausreichend bewusst und geraten bei einem positiven Ergebnis massiv unter Druck. Daher ist auch hier genetische Beratung zwingend", so Peter Liese.

„Für viele Familien, deren Kinder von Behinderung betroffen oder bedroht sind, sind humangenetische Diagnostik und Beratung wichtige Bausteine für das Verstehen und Verarbeiten der Entwicklungsauffälligkeiten. In manchen Fällen können auch aufwendige und belastende andere Untersuchungen durch Gendiagnostik vermieden werden. Dabei haben Eltern, Kinder und Jugendliche das Recht auf eine sehr gute Aufklärung, u.a. zu folgenden Aspekten: Welche Untersuchungen sind sinnvoll? Welche Fragen können diese Untersuchungen beantworten? Wie hilfreich können diese Befunde sein – einerseits zur Klärung der Ursachen, andererseits zur Planung der Behandlung und Förderung?

Um eine gute Entscheidung zur Durchführung genetischer Diagnostik beim eigenen Kind treffen zu können, sollten Eltern sich über die Tragweite und möglichen Konsequenzen der Ergebnisse (z.B. im Bereich der Familienplanung) klar werden. Dazu kann eine fachlich gute, verständliche und unterstützende Beratung durch erfahrene Mediziner beitragen“, erläuterte Dr. Petri.