Verbot vom 30.6. an nicht umsetzbar, aber Bedenken ernster nehmen


"Die Europäische Kommission und die Vertreter der Landwirtschaft müssen den Kritikern des umstrittenen Pflanzenschutzmittels Glyphosat deutlich stärker entgegen kommen als bisher, ansonsten droht ein Verbot zum 30.6." Dies erklärte Dr. med. Peter Liese angesichts der erneuten Verschiebung der Entscheidung im EU-Regelungsausschuss.


"Die Zuständigen in der Europäischen Kommission sind aus meiner Sicht zu Beginn des Verfahrens blauäugig an das Thema herangegangen. Der Vorschlag, die Zulassung ohne wesentliche Begrenzungen um 15 Jahre zu verlängern, war eine Provokation aller, die sich, ob berechtigt oder unberechtigt, Sorgen wegen der Wirkung des Stoffes machen. Ein hochrangiger Vertreter der Europäischen Kommission hat mir Ende letzten Jahres in einem Gespräch gesagt, man könne Glyphosat trinken wie Wasser. Das ist natürlich Unsinn. Ein Stoff, der als Totalherbizid alle Pflanzen abtötet, kann nicht ohne Nebenwirkungen sein. Deswegen darf es nur eine zeitlich begrenzte Verlängerung der Zulassung unter hohen Auflagen geben", so Liese.
Er bezeichnete jedoch ein Verbot zum 30.6. als völlig unrealistisch. "In vielen Bereichen gibt es keine Alternativen zu Glyphosat, es sei denn, man setzt auf Bio-Anbau und selbst wenn man das Ziel hätte, die Landwirtschaft in ganz Europa auf biologischen Anbau umzustellen, so kann doch niemand behaupten, dass das zum 30.6. diesen Jahres gelingen kann. Daher muss es eine Verlängerung der Zulassung geben, aber wir brauchen viel strengere Kriterien. Ich kann nicht verstehen, dass die Europäische Kommission an dieser Stelle wichtige Anliegen des Europäischen Parlamentes vollständig ignoriert hat, so zum Beispiel die Forderung, die sogenannte Sikkation, d.h. die Behandlung von Getreide kurz vor der Ernte, zu verbieten. In Deutschland ist dies bereits verboten und die Praxis zeigt, dass es umsetzbar ist. Bei der Behandlung kurz vor der Ernte sind natürlich auch die Gefahren durch eventuelle Rückstände größer als wenn Glyphosat zu einem anderen Zeitpunkt eingesetzt wird. Ich hoffe, dass in den nächsten Wochen alle Beteiligten zur Vernunft kommen. Die Position des Europäischen Parlamentes stellt einen ausgewogenen Kompromiss dar. Ich bedauere, dass sich bisher weder die Europäische Kommission noch die Mitgliedstaaten diesem Kompromiss angenähert haben."
 
Zum Hintergrund: Das Europäische Parlament hatte im April dieses Jahres mit breiter Mehrheit eine Resolution angenommen, die eine zeitlich befristete Zulassung von Glyphosat vorsieht (maximal 7 Jahre). Bei Vorliegen neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse könnte die Kommission die Zulassung sofort zurückziehen und es wurden umfangreiche Auflagen vorgeschlagen, zum Beispiel das Verbot der Behandlung vor der Ernte, das Verbot der Nutzung im privaten Bereich und das Verbot der Nutzung auf kommunalen Flächen. Das Europäische Parlament hat in dieser Frage keine Mitentscheidung, kann aber einen Beschluss des Regelungsausschusses zurückweisen, wenn dargelegt werden kann, dass die Europäische Kommission ihre Kompetenzen überschreitet. Dies ist im vorliegenden Fall strittig. Daher hat der Beschluss in erster Linie politische Signalwirkung.